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    Im Sexpuppen-Labor 

    Josef Le macht Geld mit Silikon-Dolls. Er baut fast alles, was seine Kunden wollen – Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen.

    Josef Le hat schon vielen Frauen den Kopf verdreht. Gerade werkt er wieder an einer herum, wischt ihr sanft die blonden Strähnen aus der Stirn, dann verrenkt er Arme, Beine und Hals, bis sie hübsch für das Foto ist.

    „Die ist schon verkauft, wir hatten jetzt Abverkauf“, sagt Le, ein zierlicher Mann, Burgenländer mit vietnamesischen Wurzeln, dann etwas kühl. Die schöne Namenlose ist ja nur eine Puppe. Wobei: Sie wirkt auch sehr menschlich. Sie wurde aus Silikon gegossen, nach der exakten Körperform einer asiatischen Pornodarstellerin. Diese hatte sich zuvor für eine Gießform zur Verfügung gestellt.

    Le ist mit seiner Firma Companion der größte Sexdoll-Produzent in Österreich. Die Puppen haben ein Metallskelett, darüber Silikon in unterschiedlichen Mischungen. Brüste und Gesäß fühlen sich weicher an.

    Die Kunden können aus vorgegebenen Gesichtern, Körpern und Hautfarben wählen. Oder auch eine Einzelfertigung bestellen. Le installiert auf Wunsch auch eine Ganzkörperheizung, ein Soundsystem und Berührungssensoren.

    Natürlich, das sei der Vollständigkeit halber erwähnt, kann man in die Vagina jeder Puppe eindringen. Es fühle sich täuschend echt an, beteuert Le und fügt hinzu: „Die Doll hat alle Körperöffnungen. Mund, Vagina, Anus, sie ist anatomisch korrekt ausgelegt.“

    Eine Puppe aus Silikon und mit einigen Extras kostet rund 4000 Euro, eine aus dem günstigeren Kunststoff TPE beginnt bei 2000 Euro. Sein Büro inklusive Showroom hat Le in Wien-Hietzing in einem gepflegten Villenviertel. Das soll den vorwiegend männlichen Kunden bei Erstgespräch und Abholung das Gefühl geben, ein Luxusprodukt zu kaufen. Die Fabrik aber steht in Shenzhen in China. Globalisierung im Dienste der einsamen Männerseele.

    Sexpuppen polarisieren. Die einen argumentieren, die Silikon-Geschöpfe würden älteren, einsamen Menschen, die sich etwa nach dem Tod des langjährigen Partners nicht mehr binden wollen, die Möglichkeit geben, nicht ganz allein zu sein.

    Herr Le erzählt auch von einem Mann, der seinem körperlich behinderten Bruder eine Puppe geschenkt und dessen Leben verbessert habe. Die anderen sehen in den lebensechten Puppen hingegen gefährliche Stimulanzobjekte für Pädophile und Gewalttäter.

    Der Markt wächst

    In Österreich gibt es jedenfalls immer mehr Singles, also auch einen wachsenden potenziellen Markt für Sexpuppen. Zugleich ist es heute möglich, immer detailgetreuere Puppenkörper zu modellieren. Dass dies ein Geschäft werden könnte, sei ihm sofort klar gewesen, sagt Le. Rund 100 Stück habe er in diesem Jahr verkauft, er sei zufrieden. Der Sex mit Puppen ist vorerst noch ein Nischentrend.

    Warum aber bezahlt man so viel Geld für eine Puppe? Eine Antwort liegt wohl darin, dass Puppen bedürfnis- und willenlos sind. „Es geht darum, sich komplett unabhängig zu machen”, sagt die Grazer Psychologin Monika Wogrolly zum KURIER. „Sobald ein anderer Mensch im Spiel ist, kann es unangenehm werden. Ein Mensch kann fordernd werden oder sich entziehen. Deshalb ist die Puppe eine willkommene Alternative.”

    Käufer von Puppen wollen oder können also keine Beziehung führen und schaffen Ersatz herbei. Herr Le hat schon Fotos zufriedener Kunden mit seinen Geschöpfen auf Sofas und Gartenstühlen bekommen. Manche werden auch zu Sammlern. Im Forum gummipuppen.de tauschen sich Kunden aus. „Als meine 16-jährige Tochter bei mir eingezogen ist, habe ich ihr meinen Harem vorgestellt. Positiv waren ihre Schmink- und Pflegetipps und das gemeinsame Einkaufen im DM“, schreibt ein deutscher Puppenbesitzer.

    Puppen im Bordell

    Vielen geht es wohl weniger um das Betäuben von Einsamkeit, mehr um sexuelle Befriedigung. Die ersten Kunden von Le waren darum Bordelle und Laufhäuser. In der Wiener Rotlicht-Szene trägt er den Beinamen Dr. Schniedlwutz.

    Auch im Laufhaus Vienna können Erzeugnisse der Companion GmbH besucht werden: In der Angeligasse in Wien-Favoriten warten neben jungen Frauen auch Babsi, Stella und Romy auf Freier. Laut Laufhaus Vienna sind die drei Sexdolls 18 Jahre alt, in Wahrheit aber natürlich erst vor wenigen Monaten aus Herrn Les Fabrik in China vom Band gelaufen. Eine Stunde kostet 90 Euro, eine Frau aus Fleisch und Blut nicht viel mehr.

    Was auffällt: Die Sexpuppen im Laufhaus haben sehr junge Gesichter und übertriebene Körperformen. Riesige, volle Brüste, schmale Taillen und runde Hintern. Im sechsten Wiener Gemeindebezirk betreibt eine junge Frau sogar ein Escortservice mit Puppen. Mit dem KURIER will sie nur anonym sprechen. „Es rennen auch viele Frauen mit operierten Brüsten herum, viele stehen nicht mehr auf einen natürlichen Körper“, verteidigt die Betreiberin von escortdolls.at ihr Geschäftsmodell.

    Auch Le gibt sich gleichgültig wegen der verzerrten Körperbilder, die er produziert. So wolle es eben der Markt. „Das ist halt leider so, aber die ältere Generation bestellt Dolls mit kleineren Brüsten, dafür mit mehr Hintern.“

    “Raubkopien” und “Poweruser”

    Le spricht mit einer etwas unheimlichen professionellen Kälte über seine Puppen. Einerseits träumt er von immer wirklichkeitsnäheren Puppen mit Hautporen und Haarstoppeln, die er mithilfe von 3D-Scannern erschaffen will. Andererseits erzählt er etwa von „Raubkopien“ seiner Puppen durch Konkurrenzfirmen und nennt Freier, die Puppen in Laufhäusern penetrieren und drangsalieren, „Poweruser“.

    Um seine Puppen in ein noch besseres Licht zu rücken, ist Le auch nicht um frauenfeindliche Bemerkungen verlegen. Warum ein Mann im Bordell lieber zu einer Puppe als zu einer Frau gehe? „Wegen dem Gezicke“, antwortet Le. „Bei der Prostituierten kommt es immer auf die Tagesverfassung an. Bei der Puppe hat der Kunde keine Diskussionen.“

    In Herrn Les Büro in Hietzing werden Käufer nicht nur beraten, sondern auch Puppen repariert. Ein Techniker verschmilzt dann Risse im Silikon. Oder verarztet auch Gröberes. Mit Bisswunden, Messerstichen und Knochenbrüchen kehrten Puppen aus Österreichs Bordellen schon zu ihrem Hersteller zurück.

    Die Nutzer zuhause gingen viel achtsamer mit einer Puppe um als die Rotlicht-Kundschaft, erklärt Le. „Es ist ein Ventil“, behauptet Le, „ein Mensch kann so dieses Bedürfnis stillen.“

    Im Puppen-Pionierland Japan, in den USA und nun auch in Europa wird fast alles gebaut, was der Kunde will. Kritiker der aufblühenden Puppen-Industrie sehen ein großes Problem im Ausleben von Gewalt- und Vergewaltigungsfantasien, ein weiteres im möglichen Verstärken pädophiler Neigungen. In einem Grazer Laufhaus wartet etwa die kindliche Chanel mit 1,45 Meter Größe auf Kurzmieter. In der deutschen Stadt Dortmund kann man gar eine „Sleeping Doll“ mit geschlossenen Augen, die nur 100 Zentimeter misst, buchen.

    Experten schlagen Alarm

    Noch gibt es keine Studien, wie sich der Verkehr mit Kinderpuppen auf das Sexualverhalten von Pädophilen auswirkt. Experten schlagen aber Alarm. „Es ist etwas anderes, verbotene Lüste nur zu fantasieren als diese real auszuagieren. Das Ausleben an der Puppe kann eine Vorstufe zu verbotenen kriminellen Handlungen an Minderjährigen sein. Ich sehe darin keine Präventivmaßnahme, sondern eine Gefahr”, erklärt Psychologin Wogrolly.

    In den USA machte bereits die Sexpuppe Roxxxy düstere Schlagzeilen. Sie hat mehrere „Persönlichkeiten“. In einem Modus zeigt die Puppe keine Zeichen von Erregung und Lust, stattdessen sagt sie „Nein“ zu intimen Berührungen. Es ist klar ein Vergewaltigungsmodus.

    Die Sexpuppe, laut internationalen Herstellern nichts anderes als ein ausgefeiltes, großes Sexspielzeug, könnte eine Vorstufe für Gewalt gegen Frauen werden. Die Hersteller würden damit die Geister, die sie riefen, nicht mehr loswerden.

    Selbst wenn man „Vergewaltigungspuppen“ verbieten wollte, wäre das in naher Zukunft keineswegs einfach. Denn schon heute gibt es Puppen, die plaudern können, und dazugehörige Apps, die aus ihnen quasi selbstlernende Roboter machen. Somit könnte bald jeder Käufer seiner Puppe aneignen, sich zu wehren.

    Herr Le betont, er verkaufe keine Kinderpuppen, die jünger als 18 Jahre alt aussehen. Zur „Nein“-Puppe sagt er hingegen: „Das ist ein gewisser Fetisch, eine Leidenschaft. Manche Leute stehen voll drauf, wenn die Frau des Begehrens nicht gleich erobert werden kann.“


    Text und Recherche Lukas Kapeller
    Video Paul Batruel, Tobias Pehböck
    Musik Uncle Milk-Two Words
    Icon Freepik

    Im Sexpuppen-Labor 
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